Welt in Flammen

"Wann ist er gefahren?"
Die alte Frau seufzte. "Kind, das macht doch keinen Unterschied."
"Wann?"
Mikhlava ließ die Schultern sinken und schien dann eine Entscheidung zu treffen. "Heute Abend. Die Ordonnanz hat in den letzten Wochen alles vorbereitet. Er selbst fährt heute Abend als Letzter, mit dem engsten Gefolge."
In den letzten Wochen. Der Schwindel griff von neuem nach Eva, als sie die Tragweite dieser Worte erfasste. Also hatte Carols Entscheidung bereits festgestanden, als sie sich das letzte Mal gesehen hatten. Und er war gewesen wie immer, vielleicht sogar eine Spur aufmerksamer als in den vergangenen Monaten.
Heute Abend also. Es gab nur einen Zug, der Paris am späten Abend verließ und bis auf den Balkan durchfuhr. Jedes Kind kannte diesen Zug. Jedes Kind kannte den Orient Express. Es war jetzt kurz vor halb zehn. Der Gare de l'Est befand sich auf der anderen Seite der Stadt.
Eva zog ihre Schuhe von den Füßen und begann zu laufen.

Der Himmel im Osten war flüssiges Feuer.

Mai 1940: Deutsche Panzer rollen westwärts. Während in Paris die Angst um sich greift, bricht der Simplon Orient Express ein letztes Mal nach Istanbul auf. An Bord des Zuges eine schicksalhafte Reisegesellschaft. Jeder der Fahrgäste mit einem ganz eigenen Grund, diese letzte Fahrt unter allen Umständen anzutreten: Ein Balkanfürst will die Herrschaft über sein Land zurückfordern. Seine jüdische Geliebte fürchtet um ihre Liebe – und um ihr Leben. Ein deutscher Spion setzt alles daran, sie zu beschützen. Ein russischer Großfürst ist auf der Flucht, die Sowjetmacht ihm längst auf den Fersen. Eine Stummfilmdiva fürchtet das Vergessenwerden mehr als den Krieg. Ebenfalls an Bord – Agenten aller kriegführenden Mächte. Was niemand ahnt: Im Zug befindet sich etwas, nach dem Hitler seine Truppen in ganz Europa suchen lässt. Die Fahrt steht von Anfang an unter einem schlechten Stern. Jeder Grenzübertritt kann das Ende bedeuten. Jeder der Passagiere fürchtet den nächsten Tag. Schließlich bricht Feuer aus. Und während Europa in Dunkelheit versinkt, rast der Express als lodernde Fackel durch die Nacht ...

Stimmen zum Buch

Eine Mischung aus Ken Follett, John le Carré, Downton Abbey, über 700 Seiten voller Historie. So ein richtiger Schmöker, bei dem man sich sagt, da nehme ich mir jetzt wirklich eine große Tasse Tee, eine Decke, ab auf die Couch und erst am Montag tauch ich wieder auf.

Karla Paul im ARD-Buffet

Und dann beginnt man zu lesen, und plötzlich ist er da, dieser Sog, der einen Seite um Seite umblättern lässt. Der dafür sorgt, dass man sich schnell nebenbei eine Stulle schmiert und mit ebendieser plus Roman im Lesesessel verschwindet, dass man Lieblingsserien sausen lässt oder dass man die Mittagspause statt mit den Kollegen doch lieber alleine mit diesem Roman verbringt.

Annette Gloser zum "Historikus" September 2014 auf der Histo-Couch

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